Insofern ist danach zu fragen, ob die vorliegenden Gesundheitsstörungen bei einem Erwachsenen zur Notwendigkeit einer ständigen Begleitung führen würden
Die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen von Säuglingen und Kindern sind also auf einen gedachten Erwachsenen zu übertragen. Soweit bei diesem hiernach die Voraussetzungen für das Merkzeichen B zu bejahen wären, steht es auch dem Säugling oder Kind zu.   >
SG Aachen 18. Kammer   18.02.2020   S 18 SB 181/18
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 13. Senat   25.04.2018     L 13 SB 93/17
SG Gießen 16. Kammer   30.01.2020    S 16 SB 110/17
Bewertung Autismus bei Erwachsenen:
Diese Grundsätze führen im vorliegenden Fall zur Annahme eines Einsatzwertes von 30 hinsichtlich der autistischen Erkrankung und zu einer Beurteilung des einheitlich zu bewertenden Funktionssystems „Nervensystem und Psyche“ mit einem Einzel-GdB von 40. Hierbei ist im Vergleich zu den Maßstäben nach Teil B Nr. 3.7 VMG zu berücksichtigen, dass nach einem Beschluss des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 18./19. März 1998 psychische Anpassungsschwierigkeiten, die einen Einzel-GdB von 30 bis 40 rechtfertigen, bereits durch Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße gekennzeichnet sind; derartige vom Sachverständigenbeirat entwickelte Abgrenzungskriterien können zur Auslegung herangezogen werden (BSG, Urteil vom 23. April 2009 – B 9 VG 1/08 – juris Rn. 43; Senat, Urteil vom 26. September 2018 – L 13 SB 32/17 –; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Februar 2013 – L 11 SB 245/10 – juris Rn. 45 ff.), wobei der Senat Kontaktmöglichkeiten und Vitalität als besonders bedeutsam für die Teilhabe ansieht, ferner den Erhalt der Möglichkeit einer Verfolgung von Lebensfreude. Hierbei setzt eine stärker behindernde psychische Störung, die für sich allein genommen einen Einzel-GdB von 40 rechtfertigt, regelmäßig einen erheblichen Verlust an sozialen Kontakten oder Vitalität voraus, was sich in der Regel durch deutliche Anzeichen sozialer Isolation und/oder Interesselosigkeit und geschwundene Lebensfreude manifestiert. Ein Indiz für bestehenden Leidensdruck ist darüber hinaus auch die Behandlungsfrequenz beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie oder beim Psychotherapeuten, ferner die – ggf. wiederholte – Durchführung stationärer Maßnahmen. Die Überzeugungsbildung in Bezug auf eine dauerhaft bestehende erhebliche psychische Erkrankung ist bei fehlender angemessener Behandlung zumindest erschwert (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 7 SB 86/15). Selbstverständlich ist diese Aufzählung nicht abschließend; Indizien jeglicher Art sind zur Ermittlung der Schwere der psychischen Beeinträchtigung und des Teilhabeverlustes heranzuziehen und auszuwerten.
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 13. Senat   14.07.2021    L 13 SB 66/19
Wer aufgrund eines schwerstgradig ausgeprägten Autismussyndroms nicht in der Lage ist, selbstständig zielgerichtet – auch unter Zuhilfenahme einer Begleitperson – eine auch nur geringfügige Strecke zurückzulegen, ist als außergewöhnlich gehbehindert i. S. v. § 229 Abs. 3 SGB IX anzusehen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG sind dann ausnahmsweise trotz prinzipiell physisch vorhandener Gehfähigkeit gegeben
SG Gießen 16. Kammer   30.01.2020    S 16 SB 110/17